Es war einmal ein verzaubertes und auch furchteinflößendes Valtellina das heute nur noch in Märchen und Sagen weiterlebt. Es gibt viele davon, und sie erzählen von mysteriösen Orten und fremden Kreaturen die den Wald regieren.
Eine
der wichtigsten Legenden im Valtellina ist sicherlich jene des Homo
Salvàdego, der Figur des wilden Waldmenschen.
Es handelt sich dabei um ein Mischwesen aus halb Mensch und halb Tier, und
spiegelt den antiken mythologischen Charakter des Faun wider. Diese einsame
Kreatur mit seinem kratzbürstigen Fell symbolisierte auf der einen Seite die
Güte und die Harmonie, aber auf der anderen Seite auch Angst und Rohheit. Zwei
scheinbar unvereinbare Welten die sich in Wirklichkeit jedoch gegenseitig
durchsetzen. Es ist ein Ausdruck der Harmonie der Schönheit des Lebens mit der
Natur, und möchte zugleich auch an das unnatürliche Wesen der Gewalt erinnern.
In der "Camera Picta" in einem Haus aus
der Mitte des 15. Jahrhunderts im Stadtviertel Pirondini in Sacco, einerStadt
im Val Gerola, findet sich eine Darstellung des Homo Salvàdego gemeinsam mit dem
Spruch "E sonto un homo selvadego per natura – chi me offende ge fo
pagura", was soviel bedeutet wie "Ich bin ein Homo Selvadego von
Natur aus - wer mich beleidigt der wird es mit der Angst zu tun bekommen").
Es
existiert auch eine weibliche Version des Salvàdego
- die Végia gòsa. Von ihr erzählt man sich im selben Tal, jedoch in Albaredo
per San Marco. Die Végia gòsa war eine alte Frau mit einem großen Kropf die
allein im Wald lebte, von Zeit zu Zeit auftauchte und dabei sowohl Angst als
auch Neugier verursachte.
Im
Val Masino hört man hingegen vom Gigiat, einer Mischung aus Steinbock und
Ziege, mit dickem, dichtem Haar und von gigantischem Ausmaß. Mit seinen enormen
Hörnern auf einem Kopf, der in Bezug zu seinem restlichen Körper ausgesprochen
groß erscheint, ist er Hauptdarsteller vieler Geschichten von Wanderern und
Bergführern. Den offiziellen Angaben zufolge war der Lebensraum dieses
Fabeltieres auf die Täler Porcellizzo, Ferro, Qualido und Zocca beschränkt,
doch es gibt dafür keine endgültige Gewissheit. Nur wenige können behaupten,
den Gigiat gesehen zu haben, und jene die darüber reden erzählen verschiedene
Versionen.
Sogar
die Drachen setzten ihre riesigen Pranken auf das Valtellina und die
Valchiavenna. Einige Findlinge wie der Sas da l'öof auf dem Weg zwischen
Nogaredo und Piazza Caprara
in der Gemeinde Samolaco in der Valchiavenna scheinen tatsächlich versteinerte
Dracheneier zu sein. Aufgewachsen mit enormer Kraft und Wildheit ist die
Existenz dieser schrecklichen Wesen stets mit alten Gemäuern, wehrlosen Damen
und mit Schwert und Schild bewaffnete Rittern verbunden.
Auf
dem Felsen von Roccascissa, in Berbenno im Valtellina, befand sich eine
wichtige Burg, die einst an Goffredo De 'Capitanei vererbt wurde. Obwohl
Goffredo seinem Onkel geschworen hatte, dass er die Festung niemals als Mittel
der Unterdrückung benutzen werde, befestigte er einen eisernen Drachen an der
Spitze des Schlossturms um aller Welt seine Macht zu demonstrieren. Die Strafe
ließ nicht lange auf sich warten und sie war gar grausam: Der Drache war
inzwischen auf magische Weise zum Leben erweckt worden und begann Feuer auf
alle zu speien der sich der Burg näherten. Dabei verbrannte er jedoch
versehentlich auch Goffredos Gattin.
Eine
andere Fabel führt uns zurück in dunkle Zeiten, in denen besorgniserregende
Figuren und Vorboten des Unglücks lebten: Hexen. Gerade sie waren es, die zu
Ferragosto die Lagerfeuer entzündeten. Bei abnehmendem Mond versammelten sie
sich nächtens auf einer versteckten Lichtung mit dem Namen"Acqua di
Cofana" im unteren Valtellina . Um das verderbliche Feuer herumtanzend
haben sie ihren Hexensabbat mit allen erdenklichen Riten durchgeführt und
Unglück in der Provinz zu verbreitet: Plagen und Krankheiten trafen sowohl
Erwachsene als auch Kinder, die Ernte verrottete und die Tiere starben. Um der
Zerstörung ein Ende zu setzen, hatten die Bauern eine ebenso einfache wie geniale
Idee: An den Abenden der Hexenversammlungen errichteten sie selbst zahlreiche
Feuer auf den Almen und den Feldern, um dadurch die Hexen zu verwirren und
deren unheilbringende Riten zu stoppen.
Trotz
der Verbreitung des Christentums widerstanden Magie und alte Rituale besonders
in alpinen Regionen wie dem Valtellina hartnäckig seinem Einfluss. Daher begann
die Kirche ab dem 14. Jahrhundert jeden der Hexerei verdächtigten
strafrechtlich zu verfolgen. Deren Unschuldserklärungen wurden jedoch nicht
angehört: Die Unglückseligen hatten immer das schlechte Ende für sich und
wurden Opfer von religiösem Glauben, Intoleranz und Ignoranz. Insbesondere in
der Grafschaft Bormio und in der Valposchiavo fanden vom 15. bis 18.
Jahrhundert zahlreiche Hexenprozesse statt. Viele Frauen wurden in Bormio vor
der Kirche von San Gallo in Premadio verhaftet und gefoltert sowie anschließend
verurteilt und oft bei lebendigem Leibe verbrannt.
Definitiv
modernere Erzählungen, um nicht zu sagen in die Zukunft blickende, sind jene
über UFOs. Im Laufe der Jahre gab es zahlreiche Sichtungen am Himmel der
Valmalenco und darüber hinaus. Stets handelte es sich dabei um leuchtende
Kugeln oder geheimnisvolle Objekte, die nicht näher identifiziert werden konnten,
wie auch das Akronym UFO verrät (Unbemanntes/Unbekanntes Flug Objekt). Die Himmelserscheinungen
konnten immer nur für ein paar Sekunden gesehen werden und verschwanden dann
wieder.
Das Valmalenco ist eines der Gebiete mit den
meisten UFO-Sichtungen in ganz Italien. Daher wird jedes Jahr eine Konferenz
organisiert an der sowohl italienische als auch internationale Ufologen
teilnehmen.